Gendergerechtigkeit in Agrarlieferketten: Ein Menschenrecht mit wirtschaftlichen co-benefits
Gendergerechtigkeit ist nicht nur eine ethische und soziale Frage, sondern auch ein grundlegendes Recht, das von zahlreichen internationalen Rechtsrahmen unterstützt wird, die ihre Bedeutung für eine gerechte und nachhaltige Gesellschaft anerkennen.
Ob in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, im Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), oder in unterschiedlichen ILO-Übereinkommen, die Teil der Kernarbeitsnormen sind, wie das Übereinkommen zur Gleichheit des Entgelts (Übereinkommen 100), zur Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (Übereinkommen 111) oder zur Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt (Übereinkommen 190):
Gendergerechtigkeit ist an erster Stelle ein Menschenrecht, und ihre Förderung und ihr Schutz sind eine Aufgabe der gesamten Weltgemeinschaft. Die CEDAW ist dabei der einzige völkerrechtlich bindende Vertrag für Menschenrechte, der speziell auf Frauen im Agrarsektor eingeht.
Trotz dieser internationalen Rechtsrahmen sieht die Realität für Frauen und andere marginalisierte Gruppen in globalen Agrarlieferketten oft anders aus, denn sie sind überproportional von Ausbeutung, Diskriminierung und Vulnerabilität betroffen.
Gendergerechtigkeit in aktuellen Lieferkettenregulierungen – der Status Quo
In den deutschen und europäischen Gesetzgebungen zu nachhaltigen Lieferketten, insbesondere dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und in der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR) fehlt eine konkrete und explizite Genderperspektive.
Deutsches Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzt (LkSG)
In Deutschland regelt das LkSG die unternehmerische Verantwortung für Menschenrechte und die Umwelt in globalen Lieferketten. Verabschiedet im Januar 2023, gilt das LkSG seit dem 01. Januar 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten.
Eine detaillierte Stellungnahme zur Geschlechterperspektive im LkSG vom Bund Deutscher Juristinnen ist hier zu finden.
EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte (EUDR)
Mit der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR), die am 29. Juni 2023 in Kraft trat, will die EU den Beitrag der EU zur Entwaldung und Waldschädigung weltweit und damit ihren Beitrag zum Klimawandel reduzieren. Die EUDR verpflichtet Unternehmen durch Sorgfaltspflichten sicherzustellen, dass relevante Rohstoffe und Produkte, die in der EU in Verkehr gebracht oder von dort exportiert werden, nicht zu Entwaldung nach 2020 beigetragen haben. Sie gilt für Rindfleisch und -leder, Kakao, Kaffee, Ölpalmen, Kautschuk, Soja und Holz sowie für bestimmte Folgeprodukte. Die Verordnung wird ab Ende 2024 für größere Unternehmen und ab Mitte 2025 für kleine und kleinste Unternehmen gelten.
Ein detailliertes Forderungspapier zur Geschlechterperspektive in der EUDR der NGO Fern ist hier zu finden.
Business Case for Gender
Die Förderung von Gendergerechtigkeit ist ebenfalls aus wirtschaftlicher Perspektive sinnvoll. Die FAO schätzt, dass die Schließung der geschlechtsbasierten Kluft in der landwirtschaftlichen Produktivität und bei den Löhnen zur Erhöhung des globalen Bruttoinlandsprodukts und dadurch zur Reduktion der weltweiten Ernährungsunsicherheit beitragen kann. Genauere Zahlen sind in der Studie The Status of Women in Agrifood Systems der FAO (2023) nachzulesen.
Diese Zahlen verdeutlichen das große Potenzial, das die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit im Agrar- und Ernährungssektor birgt, sowohl für die Wirtschaft als auch für globale Entwicklungsziele wie die Sustainable Development Goals. Auf mikroökonomischer Ebene kann die stärkere Berücksichtigung von Genderaspekten zur Verbesserung der Performance und zur nachhaltigen Entwicklung von Unternehmen führen. Die Einbindung von Frauen und marginalisierten Gruppen in Agrarlieferketten kann sich positiv auf Produktivität, Qualität und Produktionsvolumen auswirken, neue Marktopportunitäten eröffnen sowie zur Diversifizierung der Zulieferer, zur Stärkung der Resilienz und zur Förderung von Innovation und Anpassungsfähigkeit beitragen. Unternehmen können damit ihre privatwirtschaftlichen Ziele voranbringen und gleichzeitig einen Beitrag zu Diversität, Inklusion und Geschlechtergerechtigkeit leisten.
Wie Unternehmen aktiv werden können
In unserer Lunchbreak „On the way to gender equity and proper due diligence“ zeigen wir vor dem Hintergrund des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetztes (LkSG) erste praktische Schritte zur Umsetzung von Gendergerechtigkeit in globalen Agrarlieferketten auf, z.B. durch die Integration von gendersensiblen Einkaufspraktiken, wie der Bekämpfung von sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz. Das Lieferkettengesetz verbietet Diskriminierung und Ungleichbehandlung in jeglicher Form. Zudem soll mithilfe der Einrichtung transparenter und zugänglicher Beschwerdemechanismen realisiert werden, dass Arbeitnehmer*innen sich besser gegen Ausbeutung und Machtmissbrauch wehren können. Die geplante europäische Lieferkettenregulierung geht noch einen Schritt weiter: Arbeitnehmer*innen sollen ihre Rechte dann auch vor deutschen und europäischen Gerichten einklagen können.
Sehen Sie sich jetzt die Aufzeichnung und Präsentation der Lunchbreak an:
Lunchbreak zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz Teil 17