Entwaldungsfreie Lieferketten
Kaffee und Kakao zum Frühstück, Palmöl im Shampoo und in der Eiscreme, Soja ans Schwein oder Huhn verfüttert, Naturkautschuk im Auto- und Fahrradreifen: Durch den Konsum all dieser Agrarrohstoffe tragen wir täglich zu Entwaldung in den Tropen bei. 90% der Entwaldung in den Tropen geht auf das Konto der Landwirtschaft. Nur sieben Agrarrohstoffe führten zwischen 2001 und 2015 zur Entwaldung einer Fläche doppelt so groß wie Deutschland: Rindfleisch, Palmöl, Soja, Kakao, Naturkautschuk, Kaffee und Plantagenholz. Ein beträchtlicher Teil dieser entwaldungstreibenden Agrarrohstoffe wird international gehandelt, auch mit der EU. Gleichzeitig sind Wälder essenziell für das Klima, die Artenvielfalt und zumindest mittelfristig auch für die Landwirtschaft. Sie sind die Lebensgrundlage von Millionen Menschen.
Bisherige Maßnahmen waren nicht ausreichend, um Waldzerstörungen aufzuhalten: Gemeinsame Ziele der Weltgemeinschaft, die Entwaldung bis 2020 zu stoppen (vgl. SDG 15.2), wurden nicht erreicht. Im Gegenteil, in den letzten Jahren nahm die Entwaldungsrate wieder zu (WRI 2024).
Auch für das neue Ziel, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen, sind wir angesichts der anhaltend hohen Entwaldungsrate fernab vom Kurs. Laut FAO werden nach wie vor jährlich weltweit 10 Mio. Hektar Wald zerstört – das entspricht fast der gesamten Waldfläche Deutschlands.
Ohne effektiven Waldschutz sind jedoch die Ziele des Pariser Klimaabkommens, des Übereinkommens über Biologische Vielfalt und die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) nicht erreichbar.
Die fortlaufende Entwaldung kann sich die Menschheit nicht leisten. Obwohl tropische Regenwälder weniger als 3% der Erde bedecken, beheimaten sie mehr als die Hälfte aller landlebenden Tierarten. Wenn das Ökosystem Regenwald bedroht bleibt, bedeutet das weitere erhebliche Verluste an Biodiversität. Bereits heute sind viele indigene Gemeinschaften durch die Zerstörung der Wälder gefährdet. Die als CO2-Speicher für das Klima extrem wichtigen Waldökosysteme (wie der Amazonas in Südamerika) nähern sich Kipppunkten, die drohen, das globale Klima aus dem Gleichgewicht zu bringen. Bereits 2021 veröffentlichte Nature Climate Change eine Studie, die zeigt dass der Amazonas mittlerweile mehr Treibhausgase ausstößt als er absorbiert. Wäre Entwaldung ein Land hätte es den viertgrößten Treibhausgasausstoß der Welt. Auch die weltweite Landwirtschaft hängt von einem intakten Ökosystem Wald und seinen Dienstleistungen ab. Die volkswirtschaftlichen Schäden durch Untätigkeit dürften mittelfristig deutlich höher sein, als die Ausgaben für Waldschutz.
Bisherige Ansätze, darunter freiwillige Maßnahmen wie privatwirtschaftliche Zertifizierungssysteme und Nachhaltigkeits-Berichterstattung von Unternehmen, haben nicht die ausreichende Wirkung gezeigt, um das globale Problem der Entwaldung und Waldschädigung zu lösen. Auch die bisher nur auf Holz konzentrierten regulativen EU-Maßnahmen, wie die EU-Holzhandels-Verordnung (EUTR), waren nicht ausreichend effektiv.
Entwaldung und die Verantwortung der EU
Die EU liegt auf der Weltrangliste der Waldzerstörer durch Konsum auf Platz zwei – hinter China als größtem Importeur entwaldungstreibender Agrarrohstoffe und vor Indien, USA und Japan. So war die EU 2017 für 16% der durch internationalen Handel mit Agrarrohstoffen verursachten Entwaldung in den Tropen verantwortlich, China für 24%, Indien für 9% und die USA für 7%. Damit verursachte die EU zwischen 2005-2017 rund 3,5 Mio. ha Entwaldung in den Tropen, das entspricht der Fläche Baden-Württembergs. Soja, Palmöl und Rindfleisch haben von allen importierten Rohstoffen aus den Tropen den größten Entwaldungsfußabdruck – gefolgt von Holzprodukten, Kakao und Kaffee. Am meisten Entwaldung „importiert“ die EU durch Agrarrohstoffe aus Brasilien, Indonesien, Argentinien und Paraguay. In diesem Zeitraum waren die größten Volkswirtschaften der EU – Deutschland, Italien, Spanien, das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Frankreich, Belgien und Polen – für 80 % der Entwaldung in der EU verantwortlich.
Eine Studie von Forest Trends (2021) zeigt zudem, dass immer mehr illegal für die kommerzielle Landwirtschaft gerodet wird, zwischen 2013 und 2019 waren es rund 69%.
Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR)
Die Annahme der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR) ist ein Meilenstein für globalen Waldschutz. Sie trat am 29. Juni 2023 in Kraft und ist die weltweit ambitionierteste Initiative für den Stopp der Entwaldung. Die EUDR schafft einen klaren Wettbewerbsvorteil für Produzent*innen, die erwiesenermaßen entwaldungsfrei produzieren. Und die EUDR schafft ein sogenanntes level playing field für Unternehmen: Sie belohnt die Vorreiterunternehmen, die sich bereits seit längerem für entwaldungsfreie Lieferketten engagieren und verpflichtet die Nachzügler, Entwaldung in ihren Agrarlieferketten ebenfalls anzugehen.
Die EU möchte damit die Entwaldung und Waldschädigung minimieren und wichtige Schritte zur Eindämmung des Klimawandels sowie zur Verringerung der Treibhausgasemissionen einleiten.
Die EUDR legt fest, dass die Rohstoffe und ausgewählte Produkte aus Kaffee, Kakao, Naturkautschuk, Palmöl, Rindfleisch, Leder, Soja und Holz nur dann in die EU importiert, in der EU produziert oder aus der EU exportiert werden dürfen, wenn sie seit 2020 entwaldungsfrei (im Falle von Holzproduktion ohne Walddegradierung) sind. Zudem muss die Produktion im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften des Produktionslandes erfolgt sein. Außerdem müssen die Marktteilnehmer*innen und Händler*innen, die den Rohstoff oder das Produkt auf den EU-Markt bringen bzw. innerhalb der EU handeln, eine Sorgfaltserklärung abgeben, aus der die Einhaltung der ersten beiden Verpflichtungen ersichtlich wird, einschließlich der Geokoordinaten des Produktionsortes. Aktuell befindet sich die EUDR in der Übergangsphase. Für Unternehmen, die keine Klein- oder Kleinstunternehmen im Sinne der EU-Richtlinie 2013/34/EU (Artikel 3) sind, gilt sie ab dem 30. Dezember 2024, für Klein- und Kleinstunternehmen ab dem 30. Juni 2025.
Im Rahmen der EUDR müssen Unternehmen durch Erfüllung von Sorgfaltspflichten sicherstellen, dass ihre relevanten Agrarrohstoffe ohne Entwaldung und legal produziert wurden. Damit basiert die EUDR auf dem gleichen Prinzip wie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder die kommende EU-Richtlinie zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten.
Zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten sind Unternehmen aufgefordert, relevante Informationen zum Nachweis der entwaldungsfreien und legalen Produktion zu sammeln und darauf basierend eine Risikoprüfung durchzuführen. Sollte ein Risiko bestehen, sind risikomindernde Maßnahmen zu ergreifen, wie zum Bespiel die Unterstützung von Kleinbäuerinnen und -bauern.
Die Pflichten eines Unternehmens hängen von seiner Größe und der Rolle in der Lieferkette ab. Die Hauptlast liegt bei den Unternehmen, die relevante Produkte – das sind vor allem weitgehend unverarbeitete Produkte, basierend auf den sieben oben genannten Rohstoffen – erstmals auf den EU-Markt bringen.
Ohne Nachweispflichten kommt die EUDR nicht aus – denn damit das Gesetz nicht völlig zahnlos bleibt, müssen die Behörden es kontrollieren können. In Deutschland ist dafür die Bundesanstalt für Lebensmittel und Ernährung (BLE) zuständig. Der Umfang und Fokus der Kontrollen richtet sich danach, wie hoch das Risiko für Entwaldung in der Anbauregion der Produkte ist. Die EU-Kommission erstellt dafür ein sogenanntes Länder-Benchmarking, das Länder und Landesteile in Risikokategorien eingruppiert. Die Sorgfaltspflichten der EUDR richten sich gezielt an Unternehmen; es gibt keinen Importbann, Produzentenländer sowie Kleinbäuerinnen und -bauern werden unter der EUDR nicht sanktioniert, wenn sie die Voraussetzungen nicht erfüllen.
Begleitmaßnahmen der EUDR
Schon seit Jahren unterstützen die EU und ihre Mitgliedstaaten, teilweise mit großem Engagement, Akteure entlang der gesamten Lieferkette beim Schutz der Wälder. Die EUDR sieht nun mit Artikel 30 einen konzeptionellen Rahmen für diese Zusammenarbeit vor. Die Europäische Kommission und interessierte Mitgliedstaaten stimmen sich auf dieser Grundlage eng ab und weiten ihre Angebote zur Zusammenarbeit mit den von der Verordnung betroffenen Erzeugerländern aus, um sie durch verschiedene Projekte und Begleitmaßnahmen zu unterstützen. Artikel 30 Absatz 2 EUDR hebt hervor, dass dabei alle Interessenträger einbezogen werden sollen, einschließlich der Zivilbevölkerung, indigener Völker, lokaler Gemeinschaft, Frauen, des Privatsektors, Kleinstunternehmen sowie Kleinbäuerinnen und -bauern. Die Kooperation kann sich beispielsweise aus strukturierten Dialogen, gemeinsamen Strategie- und Maßnahmenerarbeitungen zur Eindämmung der Entwaldung und der Einbindung multilateralen Foren oder internationalen Organisationen zusammensetzen. So soll der Übergang zu einer landwirtschaftlichen Produktion im Einklang mit der Verordnung erleichtert werden.
Im Rahmen der Kooperation werden bereits folgende Begleitmaßnahmen durchgeführt. Sie dienen vor allem dazu, die Akteure in den Produktionsländern über die EUDR zu informieren und bei der Umsetzung der EUDR in den Partnerländern zu unterstützen.
Umsetzung von ELK in Partnerländern
Am meisten Waldfläche wird in Südamerika und Südostasien in landwirtschaftliche Nutzfläche umgewandelt. In Afrika spielen neben der kommerziellen Landwirtschaft vor allem die Subsistenzlandwirtschaft sowie Feuerholz für den täglichen Gebrauch eine zentrale Rolle bei Entwaldung. Lokal sind zudem auch Bergbau, Infrastruktur und die Ausweitung von Städten wesentliche Treiber von Entwaldung.
Welche Herausforderungen und Hebel gibt es in den Produktionsländern?
- Verpflichtungen in nationale Ziele und Gesetze überführen
- Rechtsdurchsetzung und entsprechende Sanktionen umsetzen
- Aufbau geeigneter Monitoringsysteme, um Entwaldungshotspots zu identifizieren
- Effektive Landnutzungsplanung, um besonders schützenswerte Flächen zu erhalten
- Verstärkte intersektorale Abstimmung, um unterschiedliche Interessen in Einklang zu bringen und widersprüchliche Anreizsysteme abzuschaffen
- Förderung von nationalen und subnationalen Multi-Stakeholder-Initiativen und öffentlich-privater Partnerschaften, die die Regierung, zivilgesellschaftliche Organisationen, Unternehmen und Verbände zusammenbringen
- Politiken und Rechtsvorschriften auf subnationaler Ebene ausreichend umsetzen
- Etablieren von Anreizmechanismen, die die Produktion von nachhaltig produzierten Waren fördern