Digitalisierung & Rückverfolgbarkeit
Potentiale der Digitalisierung in Agrarlieferketten
Digitale Technologien und Anwendungen ermöglichen es, die ländliche Bevölkerung an globale Märkte, Innovationen, Dienstleistungen, Wissen und Bildung anzubinden. Da mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung online ist – Tendenz steigend – bergen diese Technologien ein immenses Potenzial. Vor allem Afrika erlebt das schnellste Wachstum bei der Internetnutzung, wobei Mobiltelefone eine wichtige Rolle spielen. Derzeit besitzt etwa die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung ein Mobiltelefon, was das enorme Potenzial der Region verdeutlicht.
Die Digitalisierung kann entscheidend dazu beitragen, die Nachhaltigkeit globaler Agrarlieferketten zu verbessern und bessere Lebensbedingungen in ländlichen Gebieten zu fördern. Mobile Informationsdienste ermöglichen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern den Zugang zu modernen Anbaumethoden, Wetterdaten und Weltmarktpreisen, was zu einer ressourcenschonenden Steigerung von Ernteerträgen, einer Verbesserung der Produktqualität und höheren Einkommen führt.
Kleinbäuerinnen und Kleinbauern können außerdem von der Digitalisierung profitieren, indem sie Zugang zu Innovationen, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie Bildungsmöglichkeiten, – z. B. zu Good Agricultural Practices – erhalten.
Durch Monitoring der Landnutzung auf Basis von Satellitendaten können Veränderungen der Landnutzungsflächen erkannt werden. Dadurch können Maßnahmen zur Erhaltung von Wäldern und anderen natürlichen Ressourcen unterstützt werden, indem entwaldungsfreie Lieferketten etabliert werden.
Rückverfolgbarkeitssysteme
Mit der Einführung neuer gesetzlicher Anforderungen, wie dem deutschen Gesetz über die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette (LKsG), der Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD) oder der EU-Abholzungsverordnung (EUDR), werden Rückverfolgbarkeit und Transparenz in landwirtschaftlichen Lieferketten immer wichtiger. Digitale Rückverfolgbarkeitssysteme ermöglichen es den Akteuren in den landwirtschaftlichen Lieferketten, den Warenfluss sowie wichtige Daten über Produktion, Qualität, Verarbeitungsstufen und gezahlte Preise transparent zu überwachen. Durch den Einsatz dieser Systeme können Informationen über die Produkte auch den Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden, wodurch eine größere Verantwortlichkeit und eine ethische Beschaffung gefördert werden.
Es gibt heute verschiedene Arten von Rückverfolgbarkeitssystemen, die jeweils unterschiedliche Anforderungen erfüllen. Proprietäre Systeme, die von privaten Unternehmen entwickelt werden, bieten maßgeschneiderte Funktionen und werden oft mit dem Schwerpunkt auf Sicherheit und spezifischen Branchenanforderungen entwickelt. Allerdings kann es diesen Closed-Source-Lösungen an Flexibilität und Interoperabilität mit anderen Plattformen mangeln. Intern entwickelte Systeme hingegen werden von den Unternehmen an ihre individuellen betrieblichen Anforderungen angepasst. Diese Tools bieten zwar ein hohes Maß an Kontrolle und Anpassungsmöglichkeiten, erfordern jedoch erhebliche Ressourcen für die Entwicklung und laufende Wartung.
Open-Source-Lösungen für die Rückverfolgbarkeit bieten eine flexible Alternative und fördern die Anpassungsfähigkeit und das Potenzial der Zusammenarbeit über Branchen hinweg. Diese Systeme ermöglichen es den Nutzerinnen und Nutzern, die Software nach Bedarf zu ändern und zu verbessern, was sie in dynamischen und komplexen landwirtschaftlichen Lieferketten besonders wertvoll macht. Open-Source-Tools fördern das Gefühl der gemeinschaftlichen Entwicklung und der gemeinsamen Innovation und sind für kleinere Organisationen oder Genossenschaften mit begrenzten Ressourcen oft leichter zugänglich.
Eine solche Open-Source-Lösung ist INATrace, bei der Transparenz und die Bedürfnisse von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern am Anfang der Lieferkette im Vordergrund stehen.
Digital Public Infrastructure (DPI) und Interoperabilität
Wegen einer stetig wachsenden Anzahl von Rückverfolgbarkeitslösungen auf dem Markt können die verschiedenen Systeme häufig nicht untereinander kommunizieren, da die Daten nicht kompatibel sind. Diese mangelnde Interoperabilität der digitalen Lösungen führt dazu, dass landwirtschaftliche Betriebe und andere Akteure der Lieferkette Daten mehrfach erheben, speichern und konvertieren müssen, was zu einem höheren Aufwand und höheren Kosten führt. Als globale Multi-Akteurs-Partnerschaft hat es sich die Digital Integration of Agricultural Supply Chain Alliance (DIASCA) zur Aufgabe gemacht, zum Aufbau einer digitalen öffentlichen Infrastruktur (DPI) in nachhaltigen landwirtschaftlichen Lieferketten beizutragen, zum Beispiel durch die Entwicklung gemeinsamer Datenstandards für Rückverfolgbarkeit, Waldüberwachung und landwirtschaftliche Einkommen. Das Ziel ist es, den Datenfluss zwischen Farm Management Apps, Rückverfolgbarkeitstools, ERP-Systemen von Händlern und Marken sowie Warenwirtschaftssystemen zu optimieren, um dadurch verbesserte Abläufe und mehr Transparenz in Agrarlieferketten zu ermöglichen. DIASCA arbeitet daran, dass alle Akteure der Agrarlieferketten von den Vorteilen gemeinsamer Standards und somit von verbesserten Abläufen und erhöhter Transparenz profitieren können.
Die Digital Integration of Agricultural Supply Chains Alliance (DIASCA) ist eine globale Initiative mit dem Ziel, die digitale Landschaft in der Landwirtschaft zu verändern. DIASCA hat die Herausforderungen erkannt, die durch fragmentierte und isolierte digitale Lösungen entstehen, und arbeitet daran, ein effizienteres, zugänglicheres und interoperables Ökosystem zu schaffen. Ihre Aufgabe geht über die reine Standardisierung hinaus und konzentriert sich auf die Entwicklung einer umfassenden digitalen öffentlichen Infrastruktur (DPI) für landwirtschaftliche Lieferketten. Dazu gehört die Schaffung von offenen Standards, Grundregeln, gemeinsamen Governance-Modellen und einer Open-Source-Architektur. DIASCA legt den Schwerpunkt auf Inklusion, insbesondere für Kleinbäuerinnen und -bauern, während alle Interessengruppen vom Erzeuger bis zum Einzelhandel davon profitieren. Die Allianz konzentriert sich auf Schlüsselbereiche wie Rückverfolgbarkeit, Waldüberwachung und Einkommenskennzahlen für Farmen. Durch strategische Partnerschaften mit Organisationen wie CGIAR, COSA und der Forest Data Partnership nutzt DIASCA das Fachwissen, um Innovationen voranzutreiben. Die Initiative orientiert sich an praktischen Anwendungen und sektorspezifischen Bedürfnissen und arbeitet mit nationalen und internationalen Projekten zusammen. Da Verordnungen wie die EU-Verordnung zur Entwaldung die Dringlichkeit der digitalen Integration unterstreichen, wird die Arbeit von DIASCA immer wichtiger. Durch die Förderung der Interoperabilität und den Aufbau einer gemeinsamen digitalen Infrastruktur zielt DIASCA darauf ab, Datenredundanz zu reduzieren, die Transparenz zu verbessern und eine gerechtere digitale Agrarlandschaft zu schaffen.
Wichtig bei all dem ist, dass Bäuerinnen und Bauern Zugang zu diesen Technologien erhalten und diese darüber hinaus auch nachhaltig nutzen können. Um Digitalisierung fair und nachhaltig zu gestalten, müssen die damit verbundenen Risiken und Herausforderungen berücksichtigt und diesen entgegengewirkt werden. Dafür müssen die Infrastruktur ausgebaut, der Zugang zu Hardware ermöglicht, und vor allem digitale Kompetenzen in ländlichen Regionen vorangetrieben werden. Insbesondere Frauen müssen hierbei berücksichtigt werden, damit das Risiko, von der Digitalisierung abgehängt zu werden, vermindert wird.
The Open Cocoa Chain: Förderung interoperabler Rückverfolgbarkeitslösungen für die Kakaoindustrie
Stärkung von nachhaltigen Kakao-Bäuerinnen und -bauern
90% des weltweiten Kakaos wird von Kleinbäuerinnen und -bauern produziert. Trotz der steigenden Nachfrage der Verbraucher*innen nach nachhaltigem Kakao machen die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern nur einen Bruchteil des Einzelhandelspreises aus. Neben niedrigen Ab-Hof-Preisen und einer konzentrierten Lieferkette verschlimmern fehlende Informationen und fehlender Marktzugang die wirtschaftliche Unsicherheit der Kleinbäuerinnen und -bauern.
Das Innovationsprojekt 'Open Cocoa Chain' der GIZ unterstützt Bäuerinnen und Bauern dabei, ihre Marktposition zu verbessern, indem nachhaltiger und entwaldungsfreier Kakao in den Lieferketten durch eine digitale Rückverfolgbarkeitslösung sichtbar gemacht wird. Das Projekt wird in Kolumbien und Peru gemeinsam mit dem Nationalen Verband der Kakaobauern von Kolumbien (FEDECACAO) und Helvetas Swiss Intercooperation durchgeführt.
Eine integrative digitale Innovation im Zusammenhang mit der EU-Verordnung zur Entwaldung
Ab 2025 ist die Einfuhr von Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Rindern, Naturkautschuk und Holz in die Europäische Union auf entwaldungsfreie Produkte gemäß der EUDR beschränkt. Auf der Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe bietet das GIZ-Projekt "Open Cocoa Chain" den Bäuerinnen und -bauern digitale Werkzeuge und Schulungen, um ihren Kakao als entwaldungsfrei zu dokumentieren. Da der Internetzugang in ländlichen Gebieten ein Problem sein kann, kann das Tool auch offline genutzt werden. Die Daten werden automatisch hochgeladen, sobald das Gerät mit dem Internet verbunden ist.
Auf der Ebene der Lieferkette ermöglicht eine offene Blockchain-Infrastruktur die transparente Rückverfolgbarkeit von entwaldungsfreiem Kakao von der Farm bis zum Tisch. Die Anwendungen der Landwirtinnen und -wirte sind mit der Blockchain verbunden, um einen reibungslosen Datenaustausch zu ermöglichen.
Darüber hinaus spielen Frauen und junge Menschen eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, Lebensmittelsysteme inklusiver und nachhaltiger zu gestalten: Das Projekt "Open Cocoa Chain" befasst sich daher mit geschlechtsspezifischen Ungleichheiten bei der Landnutzung, der digitalen Kompetenz und der Entscheidungsfindung in landwirtschaftlichen Betrieben und ländlichen Gemeinden durch gezielte Schulungen für Landwirtinnen und -wirte sowie Kooperationen mit von Frauen geführten Betrieben.
Transparenz, langfristige Nachhaltigkeit und Ausweitung der Innovation
Interoperabilität und Transparenz stehen im Mittelpunkt des Projekts "Open Cocoa Chain" der GIZ. Indem es wichtige Akteure der Kakaobranche wie Genossenschaften, Händler*innen, Verarbeitungsunternehmen und Marken an einen Tisch bringt, fördert das Projekt offene Datenstandards. Durch Initiativen wie einen nationalen Runden Tisch zur Rückverfolgbarkeit in Kolumbien erleichtern die GIZ und FEDECACAO den Austausch über transparente Rückverfolgbarkeit im Kakaosektor. Die offene und interoperable Blockchain-Infrastruktur sorgt für langfristige Nachhaltigkeit und die Skalierung der Innovation: Unternehmen und Organisationen können ihre Überwachungssysteme über Anwendungsprogrammierschnittstellen mit der "Open Cocoa Chain" verbinden.