28. Mai 2024

Studierende erkunden Agrarlieferketten in Ghana

Unternehmensbesuche, ein Uni-Workshop und der Austausch mit der GIZ Ghana standen auf dem Programm, um die Gruppe mit Herausforderungen und Chancen am Anfang von Agrarlieferketten vertraut zu machen.

Ein Artikel von Vera Heyes-Johannsen

Orangefarben leuchten Mangostücke auf großen Blechen. Gerade haben sie viele Stunden im Trockenofen hinter sich, nun sind Schneiden, Sortieren und Verpacken an der Reihe. Interessiert beobachtet werden all diese Verarbeitungsschritte von einer Gruppe von 17 Studierenden. Sie sind mit der Initiative für nachhaltige Agrarlieferketten (INA) für acht Tage nach Ghana gereist, um den Anfang von Agrarlieferketten kennenzulernen. Heute stehen Trockenfrüchte auf dem Programm und sorgfältig in Schutzkleidung gewandet, dürfen die Studierenden die Firma HPW Fresh & Dry Ltd. als größte Produzentin natürlich getrockneter Mangos, Ananas und Kokosnüsse in Afrika kennenlernen. Das Unternehmen verarbeitet in Ghana jährlich über 20.000 Tonnen Frischfrüchte, exportiert 2.400 Tonnen Trockenfrüchte und beschäftigt mehr als 1.000 Menschen. In einem ausführlichen Gespräch mit dem Management erfährt die Gruppe von Biogas- und Solaranlage, Wasseraufbereitung und weiteren Nachhaltigkeitsaktivitäten, aber auch von den Herausforderungen der Branche. 

Mit Trockenfrüchten geht es auch am Nachmittag weiter: In deutlich kleinerem Maßstab, doch mit großem Engagement und viel Gründergeist produziert Yvaya Farm getrocknete tropische Früchte. Auch hier macht sich die Mango-Saison bemerkbar: Auf Hochtouren werden frische Mangos vom LKW geladen und für die Trocknung vorbereitet. Das Unternehmen sieht sich als ein junges, dynamisches Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen und steht für eine klimafreundliche Agrarverarbeitung, die nachhaltige Arbeitsplätze schafft, das Einkommen erhöht und die Umwelt schützt. Die Studierenden sind beeindruckt vom Gespräch mit Gründern und Mitarbeiterinnen und von der Besichtigungstour durch das kleine Unternehmen, das bisher noch in einem großen Wohnhaus in Accra seine Heimat hat. Viele hübsch verpackte Tüten mit Trockenfrüchten erwerben die Studierenden als Mitbringsel aus dem tropischen Land, das für eine Vielfalt an Agrarprodukten steht. 

Kakao – von der Bohne bis zur Tafel 

Zu den bekanntesten Produkten Ghanas gehört Kakao – das Land ist weltweit der zweitgrößte Exporteur von Kakaobohnen – und so steht auch der Besuch einer Kakaofarm auf dem Plan. Nach einer zweistündigen Fahrt in die Eastern Region kommt der Bus in einem kleinen Ort zum Stehen. Kinder winken fröhlich und neugierig am Straßenrand, bevor die INA-Gruppe mit Gummistiefeln bekleidet auf einem schmalen Trampelpfad durch den tropischen Wald stapft. Vorbei an Bananenstauden und Cassavapflanzen führt der Weg zu Kakaobäumen. Grün, gelb, violett und dunkelrot leuchten die Früchte an den Bäumen; an einigen Stämmen wachsen die filigranen hellen Blüten. Kakaofarmer Ocreco Ade berichtet der Gruppe von seiner Arbeit und den durch den Klimawandel verursachten Problemen, die das Einkommen der Farmer schrumpfen lassen - etwa der Rückgang der Erträge aufgrund fehlender oder zu massiver Niederschläge. Nachdenklich machen sich die Studierenden auf den Rückweg, um in der Schokoladenfabrik von FairAfric die weitere Kakaoverarbeitung zu sehen: Von der Kakaobohne bis zur verpackten Tafel wickelt das Unternehmen die Schokoladenproduktion im Herkunftsland ab und liefert dann nach Europa. So bleiben Arbeitsplätze und Wertschöpfung im Ursprungsland. Ein bisher ungewöhnliches Geschäftsmodell, das die BWL- und Logistik-Studierenden mit großem Interesse betrachten. 

Bananen und Reis in der fruchtbaren Volta-Region 

Ein früher Start ist für die Fahrt in die Volta-Region angesagt: Vorbei an Pavianen, die in der Nähe eines Nationalparks am Straßenrand sitzen, geht es in die Volta-Region, die mit satten Grüntönen und viel Wasser beeindruckt.. Bis heute profitiert die Region von ihrer geografischen Lage und dem geregelten Wasserzufluss aus dem Kpong Staudamm des Volta Flusses. Mit dem Wasser aus dem Staudamm wird unter anderem die Bananenfarm von Golden Exotics Ltd.  bewässert, die die Gruppe besucht. Auf einer 3.000 Hektar großen Fläche werden konventionelle und Bio-Bananen angebaut und die Busfahrt zum Verwaltungsgebäude geht Kilometer um Kilometer vorbei an den grünen Stauden. Offen berichtet die Geschäftsführung über die Herausforderungen und Chancen sowie die ausgeklügelte, ressourcenschonende Tröpfchenbewässerung aus dem nahegelegenen Fluss. 20 LKW mit Bananen verlassen die Farm täglich auf dem Weg zum Hafen, von wo aus die Früchte vor allem nach Europa verschifft werden. 

 Die Felder einer nahegelegenen Reis-Kooperative werden ebenfalls mit dem Wasser aus dem Kpong Staudamm versorgt. Reis ist eines der Grundnahrungsmittel in Afrika, doch ein Großteil wird aus Asien importiert. Hier wird nun in einem GIZ-Projekt versucht, die lokale Reisproduktion zu fördern und dadurch Arbeitsplätze zu schaffen. Das Projekt von MOVE - Market Oriented Value Chains for Jobs and Growth in the ECOWAS region – wird von der GIZ gemeinsam mit weiteren Partnern durchgeführt. Sein Ziel ist es, Einkommen und Beschäftigung in der ECOWAS-Region entlang marktorientierter und widerstandsfähiger Wertschöpfungsketten zu verbessern. Wie das gelingt, konnten die Studierenden in angeregten Gesprächen mit Kleinbauern auf dem Reisfeld und in einer Reismühle erfahren. 

Diskussion und Tanz an der Universität 

Bei einem Projekttag an der Central University Ghana in einem Außenbezirk von Accra konnten sich ghanaische Studierende der Agrarwissenschaften und anderer Fachrichtungen und die Studierenden der deutschen Universitäten austauschen und voneinander lernen. Nach einem Rundgang über den weitläufigen grünen Campus und herzlichen, offiziellen Begrüßungen geht es in die Gruppenarbeit. Die angeregten Diskussionen bringen Chancen und Herausforderungen ländlicher Entwicklung und globaler Agrarlieferketten auf den Punkt. Abgerundet wird der von der Central University bestens organisierte Tag durch ein gemeinsames Mittagessen und verschiedene kulturelle Darbietungen: Nachdem die ghanaischen Studierenden lokale Tänze dargeboten haben, lässt die INA-Gruppe es sich nicht nehmen, mit Salsa-Tanz zu beeindrucken und schließlich schwingen von Dekan bis Studentin alle fröhlich das Tanzbein. 

Landeskunde mit Abendessen und Stadtführung

Fröhlich ging es auch bei den Abendessen in ghanaischen Familien zu. Statt Landeskunde mit starren Daten und Fakten vorgetragen zu bekommen, besuchten die Studierenden lokale Familien. Gemeinsam wurden die landestypischen Gerichte Fufu, Banku und Jollof Rice zubereitet und beim Essen über Politik, Fußball, Schulbildung, Familienleben und Alltagsgewohnheiten der jeweiligen Heimatländer gesprochen. Eine Stadtrundfahrt durch Accra mit Stationen zu Kolonialismus und Unabhängigkeit sowie ein informativer Spaziergang durch das Stadtviertel Jamestown rundeten das Programm ab. Nicht zuletzt bot ein Besuch im Landesbüro der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH gute Einblicke in die Aufgaben und Herausforderungen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.

Sensibilisierung für nachhaltige Agrarlieferketten

Das Fazit der Studierenden zur Reise sind viele nachdenkliche Notizen, viele Fotos und Eindrücke, viele Kontakte und Gespräche, die sie mit in ihr Berufsleben nehmen werden. Die internationale Gruppe aus Studierenden der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, der Kühne Logistics University Hamburg, des Zentrum für nachhaltige Unternehmensführung Witten-Herdecke und der Technischen Hochschule Nürnberg sind die Entscheidungsträgerinnen und -träger von morgen. Das Ziel, sie für Nachhaltigkeit in globalen Lieferketten zu sensibilisieren und ihnen Denkansätze für die Umsetzung in ihrem späteren Berufsalltag mitzugeben, wurde durch diese inspirierende Reise sicherlich erreicht.