Mit VEJA durch Brasilien: Verantwortung entlang der Lieferkette
Zwischen Baumwollfeldern im Nordosten Brasiliens und den Regenwäldern des Amazonas begegnen sich Landwirtschaft, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung. Zwei SASI-Kollegen reisten mit Partnern und der Firma VEJA durch Brasilien, um zu erleben, wie nachhaltige Lieferketten entstehen – aus Begegnungen, Vertrauen und gemeinsamer Verantwortung.
Zwischen Baumwollfeldern im Nordosten Brasiliens und den artenreichen Regenwäldern des Amazonas liegt eine Region, die von großen sozialen Herausforderungen, aber auch von vielfältigen Zukunftsperspektiven geprägt ist.
Zwei SASI-Kollegen aus Europa sind nach Brasilien gereist, um zu verstehen, wie Rohstoffe wie Baumwolle und Naturkautschuk in globale Lieferketten eingebunden sind. Die Reise führte von Pernambuco bis nach Acre – über Landstraßen, vorbei an Kakteenfeldern, Dörfern und schließlich in die Regenwälder. Begleitet wurden sie von Partnerorganisationen, die vor Ort tätig sind und der Lieferkettenmanagerin der Firma VEJA Olivia Lyster. Olivia ermöglichte mit ihrem Fachwissen, ihrer Erfahrung und ihren Netzwerken Begegnungen, die nicht Teil einer offiziellen Agenda waren.
Eine Firma mit besonderem Anspruch

Im Mittelpunkt vieler Gespräche stand die französische Firma VEJA. Bekannt geworden ist sie für Sneaker, die in Europa Kultstatus haben. Entscheidend ist jedoch nicht das Produkt selbst, sondern die Art und Weise der Herstellung: Baumwolle aus biologischem Anbau, Naturkautschuk direkt aus dem Regenwald – und eine Geschäftsidee, die Nachhaltigkeit als Fundament versteht.
VEJA arbeitet mit lokalen Kooperativen zusammen, finanziert Projekte mit und verfolgt nicht das Ziel maximaler Gewinnsteigerung. Das eröffnet die Möglichkeit, gemeinsam mit Kooperativen wirtschaftliche Strukturen zu stärken und lokale Initiativen zu fördern.
Baumwolle in Pernambuco

In der semi-ariden Region der Caatinga ist Landwirtschaft eine tägliche Herausforderung, denn sie ist geprägt von sehr langer Trockenzeit. Regen fällt unregelmäßig, die Böden sind karg. Dennoch gedeihen hier Baumwollpflanzen – eingebettet in Mischkulturen mit Sesam, Sonnenblumen oder Mais. Unterstützt wird diese Arbeit von der NGO Diaconia, die seit Jahrzehnten in der Region verankert ist.
Eine besonders eindrückliche Begegnung war die mit Joana Darke, einer Bäuerin, die ihre Farm zu einem Modell für agroökologischen Anbau entwickelt hat. Mit Unterstützung der Kooperative und fachlichem Rat begann sie, ihre Baumwollfelder zu bewässern, zu diversifizieren. Während ihr Mann weiter auf benachbarten Farmen arbeitete, verfolgte Joana ihren eigenen Weg in der Landwirtschaft. Heute gilt sie als Vorbild – nicht nur für andere Frauen, sondern für die gesamte Dorfgemeinschaft. Ihre Geschichte zeigt, dass Nachhaltigkeit weit mehr bedeutet als ökologische Methoden: Sie umfasst auch gesellschaftliche Veränderungen und neue Handlungsspielräume.
Kautschuk im Amazonas

Nach Tagen im trockenen Nordosten führte die Reise weiter nach Acre, in den Regenwald. Dort leben Gemeinschaften, die seit Generationen Kautschuk sammeln, die „Seringueiros“.
Im Unterschied zu Plantagen in Asien, in denen die Bäume nur wenige Meter auseinanderstehen und in der Regel als Monokultur gepflanzt sind, erfolgt die Gewinnung hier durch das Zapfen von natürlich weit verstreut im Wald vorkommenden Kautschukbäumen. Diese sind über schmale, oft sehr lange Waldpfade miteinander verbunden.
Die NGO SOS Amazônia arbeitet mit diesen Gemeinschaften zusammen – sowohl bei der Gewinnung des Kautschuks als auch beim Schutz des Waldes. Denn jeder geerntete Liter Naturkautschuk ist zugleich ein Argument dafür, dass der Wald erhalten bleibt. Neben Kautschuk entstehen weitere Einkommensquellen: Paranüsse, Açaí-Beeren, Cupuaçu und viele andere Produkte.
Besonders innovativ ist der Ansatz der „Assisted Natural Regeneration“: Statt Freiflächen komplett neu zu bepflanzen, unterstützen die Menschen die natürliche Regeneration. Junge Bäume werden geschützt und zusätzlich wertvolle, nutzbare Arten wie Mahagoni oder Kautschuk gezielt gesetzt. So entsteht nach und nach ein lebendiger Sekundärwald, der Biodiversität erhält und gleichzeitig wirtschaftliche Perspektiven schafft.
Reflexionen einer Reise
Was bleibt nach einer solchen Reise? Zum einen die Erkenntnis, wie eng verflochten Alltagsprodukte mit Produktionsorten in Brasilien sind. Naturkautschuk für die Sohlen eines Sneakers wächst in Regionen, die nur nach langen Fahrten über unbefestigte Straßen erreichbar sind. Baumwolle, die in einem Turnschuh verarbeitet wird, stammt von Feldern, die trotz unsicherer Niederschläge bewirtschaftet werden.
Zum anderen zeigt sich, dass Nachhaltigkeit in Partnerschaft entsteht – zwischen Unternehmen, NGOs und Menschen vor Ort. Projekte sind nur dann tragfähig, wenn sie den Menschen einen Mehrwert bieten, an bestehende Strukturen anknüpfen, lokale Initiativen stärken und soziale Realitäten berücksichtigen – von Geschlechterrollen bis hin zu politischen Rahmenbedingungen, die sich von Regierung zu Regierung verändern.
Und schließlich die Einsicht: Nachhaltige Lieferketten sind kein abstraktes Konzept. Sie entstehen aus Begegnungen, Vertrauen und Verantwortung – sei es auf einem Baumwollfeld in Pernambuco oder entlang eines Kautschukpfades im Amazonas.